Beide haben keinen guten Ruf in Deutschland. Das war vor vielen Jahren ganz anders, da waren wissenschaftliche Erkenntnisse aus Deutschland weltweit anerkannt, was sich nicht zuletzt in etlichen Nobelpreisen niederschlug. Dazu hier ein paar Gedanken als interessierter Aussenstehender.
Allein für die Naturwissenschaftler seien hier nur stellvertretend genannt Wilhelm Conrad Röntgen, Max Planck, Walther Nernst, Otto Hahn, Fritz Haber, Carl Bosch und Franz Fischer. Es war nicht „die Wissenschaft“, die diese bahnbrechenden Ergebnisse erzielt hatte, sondern hervorragende Wissenschaftler. Spätestens als um die Jahrhundertwende Schwanitz und Fischer ihre Bücher zu Wissen und Wissenschaft veröffentlicht haben, kann jeder wissen, wie wissenschaftlicher Fortschritt funktioniert. Mehrheiten sind verdächtig, politische Opportunität zu verachten – es zählen nur nachvollziehbare Fakten. Wenn heute erkennbar alle möglichen Sperenzchen vollführt werden, öffentlichkeitswirksam um an staatliche Gelder zu kommen oder um reichlich „Drittmittel“ einzuwerben, schadet das nicht nur dem einst guten Ruf des wissenschaftlichen Arbeitens, also der Forschung, sondern vor allem auch der internationalen Reputation. Deutsche Universitäten sind im internationalen „Ranking“ nie vorn zu finden, wenngleich man diesen populistischen Wertungen nicht allzu viel Bedeutung beimessen sollte. Wenn dann noch solche Fantasie“wissenschaften“ wie Genderstudien an jeder Hochschule geduldet und wie andere „Geistes“wissenschaften auch gefördert und finanziell ausgestattet werden, dient das nicht unbedingt dem Ansehen „der Wissenschaft“ überhaupt. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass Wissenschaft aus Forschung und Lehre besteht. Universitäten betreiben universell beides gleichermaßen, Akademien und Institute forschen oft im Geheimen, Hoch- und Fachhochschulen widmen sich eher der Lehre, also der wissenschaftlichen Ausbildung. Ein Wissenschaftler erkundet und beschreibt Neuland oder widerlegt bisher Anerkanntes (Stand der Wissenschaft) und bildet wissenschaftlichen Nachwuchs aus. Die Fachleute, die sich hier und heute in Fernsehstudios, Redaktionsstuben und Parlamenten wie Ministerialgeheimkammern tummeln, kann ich schwerlich als Wissenschaftler bezeichnen und würde deren Rat allenfalls anhören, wenn ich populistische oder politische Zwecke zu verfolgen hätte. Aber das ist nur meine ganz persönliche Auffassung.
Etwas anders sieht es mit Technik, auch Ingenieurwesen genannt, aus. Die aus der alten Bundesrepublik überkommene gepflegte Technikfeindlichkeit kann ich immer noch nicht verstehen. Möglicherweise wird „Technik“ mit Lärm und Schmutz, gesundheitlichen Gefahren und dergleichen in Verbindung gebracht. Würde unser gesellschaftliches Leben ohne die Resultate der Arbeit von Ingenieuren überhaupt möglich sein? Was wären wir ohne Bauingenieure, ohne Maschinenbauer, ohne Elektroingenieure? Selbst die Software-Entwickler, die gut ohne entsprechenden Berufs- oder Studienabschluss erfolgreich sein können, wären ohne die Ingenieure, die sich um die erforderliche Hardware kümmern, hilf- und arbeitslos. Wahrscheinlich haben viele oder die meisten Leute ein diffuses oder gar falsches Bild vom „Ingenieur“. Dieser ist kein Wissenschaftler, auch wenn ihm im Studium wissenschaftliche Arbeitsweise gelehrt wird. Deshalb wehre ich mich gegen die dumme Bezeichnung „Ingenieurwissenschaften“. Andererseits bestehe ich für mich, also völlig unverbindlich für die breite Öffentlichkeit, darauf, nur dann einen Techniker als Ingenieur bezeichnen zu dürfen, wenn er seine Hochschulbildung mit einem erfolgreichen Abschluss dokumentieren kann, in der Regel Diplomingenieur (früher auch Fachingenieur). Dem Ingenieur, auch dem Techniker ohne einen solchen Berufsabschluss, obliegt die schwierige Aufgabe, neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Verfahren in praktische Anwendungen zu überführen und deren Herstellung/Produktion zu ermöglichen und zu leiten. Im Gegensatz dazu vollbringen Handwerksmeister ähnliche Leistungen, allerdings weniger bei neuen Verfahren, eher aus oft umfang- und erfolgreichen Erfahrungen früherer Generationen. Über die traditionell gut gepflegten Rivalitäten zwischen Handwerk und Ingenieur einerseits und Kaufmann und Ingenieur andererseits ließe sich auch viel berichten, sind aber nicht allzu ernst zu nehmen.
Dietrich Schwanitz „Bildung Alles was man wissen muss“ (1999, Eichborn, Frankfurt a.M.)
Ernst Peter Fischer „Die andere Bildung“ (2001, Econ Ullstein, München)
(2021)