Alles Übel fängt mit „be-“ an. Das erste war wohl das Beamtentum. Wem mag bloß eingefallen sein, die in einem Amte Tätigen Beamte zu nennen? Diese haben dann wohl aus Dankbarkeit oder wegen mangelnder Phantasie immer, wenn für einen noch nie da gewesenen Sachverhalt ein neues Wort zu finden war, einfach ein altes genommen und nur das bekannte be- vorangestellt. Es geht hier nicht um die sehr weit verbreitete Vorsilbe bei Verben. Damit entstehen bekanntermaßen teils gegensätzliche Bedeutungen, die die Sprache bereichern. Man denke nur an (be-)lauschen, (be-)trachten, (be-)tragen und dergleichen. Bedenklich wird es, wenn meist in Beamtenstuben, das brave be- einem Substantiv vorgesetzt und ein neues Verb erfunden wird. Da kommt eigentlich (auch so ein eigentlich überflüssiges Wort, aber dazu an anderer Stelle mehr) nur Unfug heraus.
Als erster hat mich auf diese Misere aufmerksam gemacht der ehemalige Lehrer, Schriftsteller und Kabarettist Hans-Georg Stengel. Der moserte einst allwöchentlich im „Geredeschuppen“ der Sächsischen Zeitung über sprachliche Unfälle und Missbildungen. In Bastian Schlick und seinen Zwiebelfischen hat sich übrigens ein großartiger Nachfolger gefunden. Eines Tages war im Geredeschuppen „beinhalten“ dran. Stengel fragte sich schon damals, wie Erich Böhme Jahre später ebenfalls in dieser SZ, wessen Bein denn hier zu halten ist? Seitdem frage ich mich das bei solchen Gelegenheiten auch immer wieder. Gleichzeitig wüsste ich gern, was die betreffenden Autoren an den herzlich schlichten Worten enthalten und umfassen stört. Sollten sie es in ihrer Größe einfach nur vergessen haben?
Als ich vor Kurzem in einer Reportage über den Kampf der Leipziger Polizei gegen Randalierer und Kleinkriminelle hören musste, dass künftig in den südlichen Stadtbezirken einige Straßen zusätzlich bestreift werden würden, dachte ich naiv, das wäre nun der be-Gipfel. Aber natürlich kam es bald noch besser: wird von Amts wegen einem elternlosen oder unversorgten Kind ein Pflege- oder Adoptivelternpaar vermittelt, so heißt das im Amt “beeltern“. Solch Wortungetüm kann sich wahrlich nur ein Beamter ausdenken.
Ich habe den Duden, die orthographische Bibel der Beamten, denn nur für hoheitliche und Verwaltungsschriften ist er gesetzlich vorgeschrieben, in seiner 24. Auflage genommen und ab Seite 232 bis Seite 253 von beabsichtigen bis bezwingen viele, viele Wörter gefunden, die mit be- beginnen. Es sind in der Regel Verben mit ihren Ableitungen.
Mit Mühe nur konnte ich mich beherrschen und dies nicht systematisch oder statistisch betrachten. Nachdem ich mit den wahrhaft überflüssigen beliefern, bezweifeln und betasten begonnen und über die gänzlich anderen Sinn gebenden fangen, nehmen, trachten, stimmen und suchen zu den wenigen völlig eigenständigen Bedeutung, Betonung, Bewusstsein oder Betrug gekommen war, fiel mir das dann als dilettantischen Interessenten nicht mehr schwer.
Leider lässt mich nun diese Misshandlung meiner Muttersprache nicht mehr los: stets springen mir bei der Lektüre journalistischer und vor allem „amtlicher“ und juristischer Texte mit be- vergewaltigte Wörter ins Auge, für die ich mühelos andere vernünftig bis schön klingende Formulierungen finden kann. Das gilt natürlich selbst für diesen Text!
Noch weigere ich mich, diese be-Manie klaglos hinzunehmen. Aber ich weiß natürlich, dass gegen die meist beamteten Sprachschluderer kein Kraut gewachsen ist, selbst Ironie und Spott prallen ab, wenn den gesetzlichen und Verwaltungsvorschriften genüge getan wird und der Text keine, manchmal aber dennoch zweideutige Auslegung zulässt.
Irgendjemanden musste ich das mal deutlich machen. Nun waren Sie, liebe Leserin, lieber Leser, der- oder diejenige. Vielleicht werden Sie von nun an auch ständig von Beschreibungen bedroht. Oder Sie lassen es bei dieser Betrachtung bewenden.